Aus DSJ wird DSJ e.V. – ein Bericht über den DSB-Kongress

Am 23./24.08. tagte der außerordentliche DSB-Kongress in Magdeburg, bei dem der geschäftsführende Vorstand des NSV und ich die niedersächsische Delegation bildeten. Dies war der erste Bundeskongress, an dem ich teilgenommen habe, und dementsprechend erreichte meine Aufregung ihren Höhepunkt am Samstag um kurz nach 9 Uhr, als Ullrich Krause die Versammlungsglocke (ja, so etwas gibt es wirklich) läutete und somit die baldige Eröffnung des Kongresses bekannt gab.

Foto aus dem Kongresssaal. Quelle: DSJ.

Schnell wurde mir bewusst, dass meine anfänglichen Erwartungen zu hoch waren: Es gab weder vernünftige Mikrofone (ein paar gaben während der Versammlung den Geist auf) noch einen Helene-Fischer-Live-Act. Stattdessen wurden Begrüßungsreden gehalten, gekrönt von einem langatmigen Imagefilm für Tourismus in Sachsen-Anhalt. Außerdem wurde die Tagesordnung geändert, was für große Verwirrung bei der Versammlungsleitung sorgte. Es folgten die obligatorischen Versammlungsinhalte à la Berichte des DSB-Präsidiums und der Referenten über ihre Arbeit im vergangenen Schachjahr, der Bericht der Kassenprüfer sowie Ehrungen, die leider sehr lieblos ohne Laudatoren und Laudationes (ja, das ist der Plural!) vorgenommen wurden.

Der Unmut über die Ehrungen war aber schnell verflogen, denn danach stand das Thema auf dem Programm, für das ich nach Magdeburg gekommen bin: Der Antrag der DSJ zur Umgründung in einen eingetragenen Verein. Jetzt wird es spannend – dachte ich mir. Aber Moment: der Bundesrechtsberater stampft zum Mikrofon und stellt seinen Antrag auf Nichtbefassung vor. Angeblich habe der DSJ-Vorstand den Antrag gestellt, antragsberechtigt sei aber nur der 1. Vorsitzende, Malte Ibs, so dass hier ein schwerwiegender formaler Fehler vorliege. Gut, dass die DSJ mit Jacob Roggon ebenfalls einen Rechtsberater in ihren Reihen hat, der die Zweifel souverän beseitigen konnte. Kurz vor der Mittagspause wurde schließlich der Antrag auf Nichtbefassung mit unglaublichen vier (!) Ja-Stimmen und über 200 Gegenstimmen aus dem Versammlungssaal geschmettert. Es war also klar: Der außerordentliche Kongress wollte über die DSJ reden. Überraschend war das nicht, schließlich wurde er ja deshalb einberufen…

Nach der Pause stellten Jacob Roggon und Rainer Niermann den 120-seitigen (!) Antrag der DSJ  vor. An dieser Stelle möchte ich nochmals ein großes Lob an Jacob, Rainer und den gesamten DSJ-Vorstand aussprechen: Es ist bemerkenswert, wie professionell und gewissenhaft gearbeitet wurde und wie viel Zeit, Fleiß und Mühe ihr alle für die Deutsche Schachjugend investiert habt. Chapeau! Es folgte die Aussprache zum Antrag: Ich hörte kritische Stimmen, aber auch viele positive Stimmen. Insbesondere wurde kritisiert, dass der DSB eine gemeinsame Geschäftsstelle mit der DSJ grundsätzlich ablehnt und so hohe (unnötige) Mehrkosten entstehen. Auch hierfür hat die DSJ einen Lösungsvorschlag präsentiert: eine alternative Raumaufteilung der Geschäftsstelle, so dass die einzigen gemeinsam genutzten Räume die Toiletten sind – diese Lösung ist dem DSB hoffentlich zuzumuten.

In der anschließenden Diskussion brachten beide Seiten ihre Argumente an, von einem gemeinsamen Vorschlag von DSJ und DSB fehlte allerdings jede Spur. Daher wurde (mehr oder weniger) spontan der Leistungssportreferent, Andreas Jagodzinsky, vom Kongress zum Mediator gemacht/gewählt/gezwungen(?), um sich zusammen mit Ullrich Krause, Hans-Jürgen Weyer, Malte Ibs und Jacob Roggon zurückzuziehen und doch noch Verhandlungen im kleinen Kreis zu führen. Für alle anderen im Saal bedeutete dies: Warten, warten, warten. Nach 1,5 Stunden kehrte der kleine Kreis zu uns zurück und präsentierte die erarbeitete Lösung. Leider musste vor allem die DSJ zahlreiche Kröten schlucken: Jörg Schulz wird nicht wieder als Geschäftsführer tätig sein und die DSJ verliert ihren dauerhaften Sitz im DSB-Präsidium. Die Enttäuschung bei allen Delegierten, die nach Magdeburg gereist waren, um die DSJ bei ihrem Antrag zu unterstützen, war deutlich zu spüren. Aber gab es eine Alternative als diesem modifizierten Antrag zuzustimmen? Nach einer kurzen Beratungszeit (über die sogar vorher noch abgestimmt werden musste), in der wir uns mit dieser Frage beschäftigt haben, wurde schließlich (geheim) abgestimmt: Mit mehr Gegenstimmen als bei einem gemeinsamen Vorschlag von DSB und DSJ erwartet wird der Antrag der DSJ schließlich angenommen!

Die wichtigsten Ergebnisse zum Antrag DSJ als e.V. fasst die DSJ auf ihrer Homepage wie folgt zusammen:

  • Die DSJ ist zuständig für alle Jugendlichen unter 20 Jahren;
  • Die gemeinsame Geschäftsstelle soll beibehalten werden, nur die Räumlichkeiten sollen anders verteilt und möglichst getrennt genutzt werden;
  • Die DSJ stellt eine neue Geschäftsleitung ein. Darüber hinaus wird für 15 Monate eine Beratungsposition für unseren ehemaligen Geschäftsführer, Jörg Schulz, geschaffen und finanziert. So soll die neue Geschäftsleitung eingearbeitet werden und jahrelanges Fachwissen festgehalten werden;
  • Die DSJ ist nicht mehr mit einem festen Sitz im Präsidium des DSB vertreten. Bei allen Themen allerdings, die in irgendeiner Weise die Jugend berühren, hat die DSJ eine beratende Position im Präsidium.

Mich erfüllte einerseits immer noch Enttäuschung darüber, wie der Antrag der DSJ abgeändert wurde, andererseits war ich froh, dass der Antrag immerhin durchging und das Schwierigste geschafft war – zumindest dachte ich das!

Im Anschluss an die Abstimmung wurde der Kongress auf den nächsten Morgen vertagt und die Jugenddelegierten, einschließlich Torsten und mir, eilten zur außerordentlichen Jugendversammlung der DSJ, denn auch dort musste dem Antrag zugestimmt werden – davon waren wir aber sehr weit entfernt. Auf Anfrage einer Landesschachjugend wurde zunächst ausführlich (und nicht-zielführend) über einzelne Wörter im vergangenen Protokoll diskutiert, erst danach konnte die DSJ ihren Antrag vorstellen. In der anschließenden Aussprache wurden kritische Stimmen laut. Einige Landesschachjugenden haben beispielsweise ihr Abstimmungsverhalten an die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen geknüpft und drohten mit Gegenstimmen. Nach zahlreichen Diskussionen und Reden der DSJ e.V. – Befürworter (unter anderem aus Niedersachsen) konnte sich darauf geeinigt werden, über den Antrag (wieder geheim) abzustimmen und auch hier wurde er angenommen. Das bedeutete: Die DSJ wird ein eingetragener Verein! Juhu!

Übrigens: Auf die NSJ hat die Umgründung keine direkte Auswirkung und ein NSJ e.V. ist auch nicht geplant. Viel mehr freuen wir uns darüber, dass die DSJ nun wieder effektiv arbeiten kann! 

Es folgten Wahlen des Vorstandes, der Kassenprüfer und des Schiedsgerichtes. Besonders beliebt war wohl das Amt des Kassenprüfers, denn dort gab es gleich zwei Kandidaten, so dass auch hier geheim abgestimmt werden musste und am Ende eine einzelne Stimme den Ausschlag gab. Als nächstes stand der Haushalt auf dem Programm. Und auch hier musste die Jugendversammlung ihre Zustimmung geben, und auch hier wurde eine Landesschachjugend laut und verweigerte die Zustimmung, bevor einige Punkte wie das Gehalt des Geschäftsführers nicht geklärt waren. Dass die DSJ dem DSB-Kongress am nächsten Tag einen gebilligten Haushalt vorlegen muss, um weiter verhandeln zu können, wurde dabei gekonnt ignoriert. Stattdessen wurde beantragt, die Billigung des Haushaltes auf den nächsten außerordentlichen Jugendkongress 2020 zu verschieben. Ich war froh, dass es für diesen Vorschlag so viele zahlreiche Gegenredner gab, die den Ernst der Lage verstanden und sich für eine sofortige Zustimmung ausgesprochen haben. Nach langem Hin und Her konnte schließlich abgestimmt werden und der Haushalt wurde gebilligt. Die Gründungsversammlung der DSJ endete um 23.55 Uhr.

Vom zweiten Tag will ich gar nicht viel berichten, da nur noch wenige Jugendthemen behandelt wurden. Eine Sache ist mir aber doch im Gedächtnis geblieben: Bei der (offenen) Abstimmung über die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge der DSJ stimmte der DSB-Vizepräsident für Finanzen als einziger dagegen, obwohl er selbst bei dem Antrag mitgewirkt hat. Hä?! Lieber gar keine Beiträge für die DSJ, oder wie lässt sich diese Abstimmung deuten? Mehr braucht man zum DSB nicht mehr sagen…

Ich hoffe, ihr konntet einen guten Eindruck vom Bundeskongress gewinnen und an dieser Stelle möchte ich betonen: Ich bin froh, dass wir in Niedersachsen einen vernünftigen Erwachsenenverband haben und die Zusammenarbeit mit der Jugend reibungslos funktioniert.

Mit schachlichen Grüßen

Nicole Manusina

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